Capella Sagittariana Pforzheim - Pressestimmen

Pforzheimer Kurier, 29.04.2006

Chorsingen als beflügelnde Lebenshilfe

Allein auf ehrenamtliches Engagement gestützt pflegt die Capella Sagittariana seit 24 Jahren anspruchsvolle Chormusik

Von unserem Mitarbeiter Chris Heinemann

„U-a-e-i-a-o-u", schallt es durch den großen Raum. Im Gemeindehaus der Johannespfarrei probt die „Capella Sagittariana". 21 Chorsängerinnen und -sänger haben sich zu Atem- und Stimmübungen versammelt. „Versuchen Sie mal, durch die Augen zu singen, also mit richtigen Glotzaugen ... mmmmm-Müühe", macht der Chorleiter vor. „Viooooola...", singt ihm der Chor nach. Klaus Bühler schaut vom Klavier auf: „Wir nehmen grad' mal den Schütz zur Hand und zwar das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner."

Wiederholt intonieren die Sänger das geistliche Lied „Es gingen zween Menschen.." An diesem Abend stehen noch mehr Werke des barocken Komponisten Heinrich Schütz auf dem Programm. Nach ihm hat sich der Chor benannt. Das lateinische „Capella Sagittariana" bedeutet nichts anderes als Schütz-Chor. Geprobt wird für ein geistliches Konzert, das der Chor am Sonntag, 7. Mai, unterstützt durch Mitglieder des städtischen Orchesters in der Schlosskirche veranstaltet.

Es geht locker zu an diesem Probenabend und zugleich sind alle konzentriert bei der Sache. Die Capella ist ein besonderer Chor. Er versteht sich nicht als Kirchenchor. Im Zuge von Sparmaßnahmen verlor er die finanzielle Unterstützung durch Kirchengemeinden. Seitdem hält ihn allein das ehrenamtliche Engagement seiner Mitglieder am Leben. Sie verstehen ihren Einsatz als Beitrag zum kulturellen Leben in Pforzheim. Bei jeder Aufführung tragen die Sänger das finanzielle Risiko. So eine Herausforderung schweißt zusammen.

Auch Chorleiter Klaus Bühler ist ehrenamtlich tätig. Bevor er 2002 die Capella übernahm, leitete er 30 Jahre lang Kirchenchöre. Neben seiner Arbeit als Musiklehrer an der Otterstein-Realschule wohlgemerkt. An der Capella habe ihn gereizt, dass viele Mitglieder „sehr gut vom Blatt singen", sagt der 66-jährige Ruheständler. „Man konnte gleich vier- und fünfstimmig singen, und zwar gehobene Literatur", fügt er hinzu. Mit einigen Werken namhafter Komponisten habe er sich auf diese Weise auch eigene Wünsche erfüllt. Mit der Bach-Motette „Jesu, meine Freude" etwa. „Die verlangt virtuoses Koloratursingen", betont der Chorleiter.

Gisela Bruker ist seit den Anfängen vor 24 Jahren dabei. Damals traf man sich zum Proben im Wohnzimmer des Chorgründers Burkhard Jungcurt im Haidach. Als Kantor der Johannespfarrei und der Sonnenhofgemeinde prägte Jungcurt zehn Jahre lang den Chor. „Singen verleiht mir Flügel", gesteht Gisela Bruker. Es helfe ihr, bei Problemen „nicht ins Loch zu fallen." In ihrem Beruf hat sie auch mit behinderten Kindern gearbeitet. „Da ist viel über Singen gelaufen", stellt die 68-jährige Heilerzieherin fest.

Ihre gleichaltrige Kollegin Helge Bührer stieß ein Jahr später zur Capella. Wesentlich sei damals gewesen, erinnert sich die pensionierte Gymnasiallehrerin, „dass wir unsere kleinen Kinder mitbringen durften." Das ermöglichte ihr die Teilnahme an den Wochenendproben.

Auch Christa Metzger ist schon seit 20 Jahren dabei. Früher sang die 67-Jährige im Motettenchor. Die Capella entdeckte sie, als sie eines Tages einen ihrer Söhne zur Orchesterprobe fuhr. „Der Chor klingt toll", war ihr erster Eindruck und sie blieb dabei. Später zog die ausgebildete Arzthelferin ihren Mann, den Kinderarzt Hans Martin Metzger, mit ins Boot.

Auch Helmut Vester und seine Frau Johanna aus Birkenfeld waren 30 Jahre lang im Pforzheimer Motettenchor. Nach Ansicht des ehemaligen Gymnasialprofessors am Karlsruher Studienseminar hat sich längst bewahrheitet, dass Musik, namentlich das Chorsingen, „eine Lebenshilfe sein kann." Sein Beruf sei sehr „verkopft" gewesen, meint der 75-Jährige. Beim Singen komme das Gefühl hinzu.

Das gute Miteinander von älteren und jüngeren Chormitgliedern betont die 28-jährige Erzieherin Stefanie Engert. Sie suchte einen Chor, weil sie im Gesangsunterricht nicht weiterkam. Nach einem Gospelchor schloss sie sich vor etwas mehr als einem Jahr der Capella an. „Hier kommt man sich nicht wie die Neue vor, sondern wird freundlich und herzlich an die Hand genommen", schildert sie ihre Aufnahme. Vor zwei Monaten brachte sie ihre Arbeitskollegin Isabel Rieke mit. Sie fühle sich von den anderen Chormitgliedern „unglaublich toll getragen", schwärmt die 26-Jährige. Zum Chorgesang habe sie ihr Beruf motiviert. Als Erzieherin müsse sie „viel reden." Dadurch habe sie gemerkt: „Ich muss meine Stimme trainieren."

Die letzten Takte von„ Die mit Tränen säen" sind verklungen. Die fünfstimmige Schützmotette ist Teil einer Sammlung geistlicher Chormusik von 1648. Dem Jahr, als in Europa der verheerende 30-jährige Krieg zu Ende ging. „Ich sehe da noch einige Dinge, die wir besser machen können", sagt der Chorleiter. In einer Zeit, in der überall die Gospelchöre aus dem Boden wachsen, versuche die Capella „ganz bewusst, diese Musik zu pflegen." Auch er sei mit den Beatles groß geworden, versichert Bühler. Aber jetzt freue er sich doch sehr, noch etwas zur Aufführung dieser ernsthaften Musik beitragen zu können.

Neben dem „Vater der deutschen geistlichen Musik", wie der Namenspatron des Chors genannt wird, pflegt der Klangkörper allerdings auch Komponisten anderer Stilepochen bis hin zur Moderne. „Herr Bühler hat uns mit der Romantik vertrauter gemacht", freut sich Hans Martin Metzger und zählt auf: „Felix Mendelsohn, Anton Bruckner, Max Reger, Josef Reinberger..." Alles Namen von Männern. Das erinnert an eine andere große Herausforderung für die Capella Sagittariana: Sie ist beständig auf der Suche nach Männerstimmen. Aber dieses Schicksal teilt sie mit vielen Chören.

Quelle: http://www.capella-sagittariana.de/konzerte_presse_20060429.html
Datum: 18. Mai 2008